Beispiel für einen schöpferischen Prozess:
Robert Rymans Versions
Die Motivation
Urs Raussmüller, selbst Künstler, verbrachte zwischen 1977 und 2010 immer wieder intensive Wochen mit Robert Ryman in dessen Studio an der Greenwich Street, New York. Er nahm an der Entstehung von Rymans Gemälden teil, sprach mit seinem Freund ausführlich über die Interaktion zwischen Kunstwerk und Umgebung und brachte im Lager und in der Garage verstaute (und vergessene) Werke wieder zutage. Gemeinsam richteten sie in diesen Jahren fünfzehn internationale Ausstellungen ein und widmeten dabei dem Zusammenwirken der Gemälde mit Licht und Raum grösste Aufmerksamkeit.1 Ihre letzte, unübertroffene Einrichtung in den Hallen für Neue Kunst, Schaffhausen, trug den Titel Advancing the Experience – was den Prozess ihres Vorgehens und der dabei gewonnenen Erkenntnisse bestens beschreibt.2 Ryman legte grossen Wert auf Raussmüllers Rat und Urteil und bat ihn jeweils, nach New York zu kommen, wenn er an einer neuen Werkserie arbeitete.3 Er ging in seinem Schaffen oft so vor, dass er seine Vorstellung von einem Gemälde in mehreren Varianten ausführte, bis sich das Thema für ihn erledigt hatte. Den Anstoss zu einer Werkidee gaben häufig neue Materialien, die auszuprobieren Ryman reizte, aber es konnte auch ein inspirierendes Angebot sein – wie im Frühjahr 1991.
Zu dieser Zeit bereitete Urs Raussmüller eine Ryman-Ausstellung in dem neuen Kunstort Renn Espace in Paris vor, den er für den Filmproduzenten und Kunstliebhaber Claude Berri geschaffen hatte. Er hatte unter einem grossen Glasdach lichterfüllte Räume errichtet und Robert Ryman versprochen, seine Gemälde in dem speziellen Pariser Licht zur Wirkung zu bringen.4 Im Zuge der Installationsvorbereitungen äusserte Ryman seine Unsicherheit, wie sich seine Malerei nach dieser Manifestation weiterentwickeln sollte. Raussmüller forderte ihn auf, sich von dem zuvor Geschaffenen zu lösen und einen neuen Ansatz zu nehmen. Er bot ihm an, im folgenden Jahr eine Ausstellung der neu entstehenden Werke in den Hallen für Neue Kunst in Schaffhausen durchzuführen, wobei Ryman das aktuelle Vorgehen an der Einrichtung seiner Gemälde im Oberlicht-Geschoss der ‚Hallen‘ messen könnte. Raussmüllers Angebot war eine echte Herausforderung, denn die seit 1983 bestehende, rund 50 Gemälde umfassende Ryman-Retrospektive zeigte eine beeindruckende Fülle überzeugender Bildwirkungen. Mit dieser Vorgabe war der Ehrgeiz des Künstlers geweckt; Ryman war motiviert und liess sich auf Raussmüllers Vorschlag ein.
Am 10. Mai 1992 eröffnete Urs Raussmüller in Anwesenheit von Robert Ryman die Ausstellung Robert Ryman: Versions.5 Sie war eine Überraschung. Die sechzehn Werke, die Ryman zwischen dem Sommer 1991 und dem Frühjahr 1992 geschaffen hatte, waren mit nichts zu vergleichen, was er bisher hervorgebracht hatte. Er hatte auf hauchdünne Fiberglass-Panele in Grössen zwischen 13 x 13 Inch und 84 x 84 Inch6 weisse Ölfarbe so aufgetragen, dass sie einerseits flache, offene Zonen bildete und andererseits reliefartig hervortrat. Am oberen Bildrand hatte er Streifen von Wachspapier angebracht, was eine zusätzliche Reflexionsfläche für das Licht bildete und die Gemälde zugleich subtil auf die Wand ausdehnte. Befestigt waren die bemalten Tafeln mit leicht vorstehenden, oft weiss bemalten feinen Nägeln – ein Novum in Rymans Werk. Sie betonten die Schwerelosigkeit der Versions und entsprachen mit ihrem Schattenwurf der räumlichen Wirkung in den pastosen Partien der Gemälde.
Keine andere Serie in Rymans Oeuvre zeigt eine vergleichbare Offenheit der Malerei, eine so offensichtliche Loslösung von der Vorstellung, wie sich Malgrund und Farbauftrag traditionell zueinander verhalten, beziehungsweise, wie ein Gemälde aufgebaut zu sein und zu wirken hat. In der Regel sind Rymans Werkserien Varianten einer Grundform – man denke an die Standards von 1967, die Classico-Gruppe von 1968/69 oder die Generals von 1970. Die Versions dagegen zeigen kein einheitliches Muster. In der Vielfalt ihrer Erscheinungen sind sie vielmehr der Ausdruck eines Entwicklungsprozesses, eines intuitiven schöpferischen Vorgehens, bei dem der Künstler mit zunehmender Unvoreingenommenheit die Werke „sich entwickeln“ liess. „Malerei entsteht im Akt des Tuns – dann wird die Entdeckung gemacht. Als ich an diesen neuen Gemälden, den Versions, zu arbeiten anfing, hatte ich keine Ahnung, dass sie so ausfallen würden, wie es jetzt der Fall ist. Ich wusste nicht, wie sie werden würden und musste sie sich entwickeln lassen. Ich musste mir von den Bildern sagen lassen, wie sie werden würden. […] Ich spreche von der Überraschung, die aus dem Akt des Malens resultiert. “7
Der kreative Prozess
Die zwischen Sommer 1991 und Frühjahr 1992 entstandenen Versions verkörpern beispielhaft das Prinzip eines kreativen Prozesses. Am Anfang der neuen Werkserie knüpft der Künstler noch an Vertrautes an. Dann wird er zunehmend kühner, die Bildidee gewinnt an Profil und der Künstler in seinem Vorgehen an Sicherheit. Irgendwann erreicht er einen Höhepunkt, an dem er alles hinter sich lässt, was seine ursprüngliche Vorstellung bestimmte. Er verfügt inzwischen über eine Freiheit, die ihn über das Bisherige hinauswachsen lässt. Danach ist keine weitere Steigerung möglich, das Geschaffene überrascht ihn nicht mehr, und er kehrt wieder zu Vertrautem zurück. Es entstehen die letzten Versionen, und der Prozess ist abgeschlossen. Für die weitere Entwicklung seiner Arbeit braucht er einen neuen Ansatz.
Was in diesem Fall für den Künstler gilt, trifft auf jede Form des schöpferischen Vorgehens zu. Ein kreativer Prozess ist kein schneller und vor allem kein geplanter Vorgang. Das Ergebnis ist nicht absehbar, weil es sich erst im Vorgang des Erschaffens entwickelt. In den Versions wird deutlich, wie dieser Prozess in der Zeit verläuft, mit Rückgriffen und variierenden Ideen. Mit jedem Resultat entstehen auch neue Erkenntnisse, die in die folgenden Werke einfliessen und gelegentlich zu Änderungen an früheren führen. In diesem Fall hat sich dem Künstler nach und nach gezeigt, wie Farbe und Grund mit der Wandfläche agieren, wie sie sich verbinden oder sich plastisch nach vorne abheben. „Und die Oberfläche ist langsam aufgebaut worden, so dass sie sich auf der Trägerfläche ausdehnen kann. In gewissen Bereichen kann sie durch die Zugabe von mehr Farbe dichter und undurchsichtiger werden. Es ist schwierig, genau zu sagen, wie ich das mache, weil es sich selbständig entwickelt.“8
Die Versions sind eine Arbeits-Serie, aber jedes Gemälde hat einen eigenen Status. Ryman hat alle Werke Versions – im Plural – genannt und damit ihre Gemeinsamkeiten betont. Wie gross die Unterschiede ihrer Gestaltung sind, also, zu welcher Vielfalt an Ergebnissen der durchlaufene Prozess geführt hat, erweist sich erst im Vergleich. Dass Ryman jedes der Versions mit einer römischen Zahl gekennzeichnet hat, spiegelt nicht die Chronologie ihrer Entstehung wider. Die Versions I, II, III und IV zum Beispiel sind erst 1992 entstanden. In mehreren Versions hat Ryman die Jahreszahl zu einem kompositionellen Element gemacht, aber die Datierung ist nur ein kleiner Hinweis auf die Position des Gemäldes im Entstehungsprozess der gesamten Gruppe. Will man den kreativen Prozess nachvollziehen, muss man sich auf die Schritte des künstlerischen Vorgehens einlassen – man wird erkennen, dass diese weitgehend in den Werken ersichtlich sind.
Am Anfang der Ausstellung in den Hallen für Neue Kunst stand damals Permit9 von 1991. Ryman hat dieses Werk nicht in die Versions-Gruppe aufgenommen, es aber als Vorbereitung zu seiner Serie betrachtet. Nicht gezeigt hat er Versions XVI, das letzte dieser Gemälde; er war mit dem Ergebnis nicht zufrieden und wollte es nochmals überarbeiten. Permit dagegen zeigt deutlich den Ausgangspunkt, von dem aus die Versions Form annahmen. Trägermaterial und Technik sind schon die gleichen wie bei den folgenden Gemälden. Das Werk hat auch bereits einen Streifen aus Wachspapier am oberen Rand, ist mit feinen Nägeln auf der Wand befestigt und enthält, wie die Versions VIII, X, XI und XIII, die Jahreszahl 1991, aufgeteilt in 19 und 91. Die Fläche ist jedoch noch wie bei früheren Ryman-Gemälden geschlossen und ganzheitlich strukturiert bemalt, also ohne die für die Versions charakteristischen Öffnungen.
Versions VI aus demselben Jahr und mit den gleichen Massen und Materialien wirkt daneben wie ein grosser Schritt vorwärts zu einer Malerei, die in unbemalten offenen Bereichen den Untergrund als markanten Teil in die Bildwirkung einbezieht. Ryman hat sich mit den unregelmässigen Öffnungen der Farbfläche die Möglichkeit geschaffen, die weisse Farbe mal pastos und dicht, mal dünn und in feinsten Übergängen zu den frei gelassenen Zonen aufzutragen und mit dem Aufbau des Farbmaterials dem an sich extrem flachen Werk eine raffinierte Räumlichkeit und Ausdehnung nach vorne, in den Raum, zu verleihen.
Eng verbunden mit diesen Gemälden sind die Versions V und VII entstanden. Sie wirken wie Versionen zwischen der geschlossenen Fläche von Permit und der aufgebrochenen Malfläche von Versions VI. Der Farbauftrag ist in beiden Werken relativ dicht und zeigt doch zwei sehr unterschiedliche Wirkungen. Ihr Vergleich ist wie eine Antwort auf die Frage, wo, in welchem Bereich, die Malerei zu öffnen ist – eher im Zentrum des Gemäldes, wie bei Versions VII oder eher zum Rand hin wie bei Versions V? Beide Möglichkeiten hat Ryman weiterverfolgt und dabei jeweils neue Wirkungsweisen erzeugt. Bei Versions VI zeigt sich ein zusätzliches Element, das Ryman auch in den Versions VIII, XI und XIII aus 1991, sowie bei I, III und IV aus 1992 verwendet hat: ein Raster aus Graphitlinien, der unter und auch auf der weissen Ölfarbe liegt. Damit hat der Künstler dem flach auf der Wand aufliegenden Gemälde eine weitere Ebene hinzugefügt, die den subtilen räumlichen Aufbau akzentuiert: Die unterste Ebene ist die Wand, darauf liegt das mit Heftklammern befestigte Wachspapier, darüber das dünne Fiberglass-Panel mit Grundierung, Rasterzeichnung und reliefartig aufgetragener Farbe; am weitesten in den Raum ragen die vorstehenden Nägel. Alles zusammen ist eine bemerkenswerte Schichtung eines zugleich sehr flachen Werks.
Das wesentlich kleinere Versions VIII (15 x 15’’) von 1991 erscheint mit seiner bis auf die freien Randzonen ganzheitlich bemalten Oberfläche als ein geradezu klassisches Ryman-Gemälde. Die Malerei ist jedoch bewegter und lebhafter als in früheren Werken. Das kleinere Format hat die Ausdruckskraft des Farbauftrags gesteigert und die Struktur der Oberfläche betont. Sie zeigt eine reliefartig aufgebaute Farbfläche mit feinen Übergängen zum deutlich abgesetzten unbemalten Randbereich. Auch hier ist die in 19 und 91 geteilte Jahreszahl integriert. Doch anders als bei den übrigen Versions hat Ryman auf den Wachspapierstreifen am oberen Bildrand verzichtet. Den Übergang zur Wand hat er in diesem Fall durch einen vertikalen Farbstreifen an der linken Kante angedeutet und die Ausdehnung der bemalten Fläche durch unterlegte, diagonal in die Bildecken führende Bleistiftlinien betont.
Rymans Versions zeigen mit grosser Variationsbreite den Entwicklungsprozess in der Durchführung einer zunächst noch vagen Idee. In diesem Fall ist es das Vorhaben, die räumliche Dimension eines Gemäldes zu gestalten – einerseits im Zusammenwirken mit dem umgebenden Raum, andererseits im Aufbau des Gemäldes selbst –, das einen Arbeitsvorgang auslöst, in dem der Künstler aus den jeweils erzielten Ergebnissen fortlaufend Schlüsse für neue Lösungen zieht. Das ist mehr als das Durchspielen einer Idee in Varianten. Es ist das Bestreben, im Prozess des Vorgehens ein in seiner Überzeugungskraft nicht zu übertreffendes Resultat zu erzielen. Ob und wie dieses zustande kommt, ist nicht zu planen. „Es entwickelt sich von selbst“, wie Ryman sagt. Was er sich vorgenommen hatte, war einfach, Farbe auf eine andere Weise einzusetzen: „Ich wollte direkter mit Farbe arbeiten als vorher. […] in den Versions wollte ich der Farbe im Unterschied zu ihrem Gebrauch in der Vergangenheit mehr Bedeutung in Bezug auf ihre Wirkungsweise geben.“10 Was sich daraus ergab, war eine neue Bildwirkung, erzeugt durch eine zuvor unbekannte Öffnung der bemalten Fläche.
In den Versions wird sichtbar, wie Ryman die Wirkungsweisen der aufgebrochenen Oberfläche durch mehr oder weniger dichten Farbauftrag auf unterschiedlich grossen Tafeln und in Verbindung mit anderen Elementen – den Jahreszahlen, dem Graphitraster, dem Farbton der Grundierung – in Erfahrungen umsetzte. Der Wechsel zu kleineren Formaten war dabei ein Weg, um zu kühneren Lösungen zu finden. In den Versions X und XI zum Beispiel benutzte Ryman schwarze Farbe, um die Jahreszahl 1991 als markantes Bildelement neben und über die weisse Farbfläche zu setzen und damit noch eine weitere Ebene zu schaffen. Insgesamt wird die Malerei in diesem Prozess freier und offener, die bemalten Partien scheinen sich vom Grund zu lösen und sich unabhängig von der quadratischen Fläche zu entfalten. Die Farbfelder sind gerundet und die Zwischenräume unregelmässiger. Bei Versions XII, 1991, und dem späteren Versions XIV, 1992, verwendete Ryman für die Grundierung zudem ein neues Material – eine Interferenzfarbe, die je nach Lichteinfall einen neutralen oder blauen Farbton annimmt und den Gemälden eine irisierende Ausstrahlung verleiht.
Versions XIII von 1991 (21 x 19’’) ist bereits ein Ausdruck grosser Freiheit. Es verbindet die Elemente der Bleistiftzeichnung und der Jahreszahl mit einer teils dichten, teils durchlässigen Malerei, bei der die Farbbereiche mit einer gewissen Dynamik ineinander übergreifen. In ihrer Struktur wie in den Formen lässt diese Malerei den gerasterten Grund buchstäblich hinter sich und tritt als reine Farbe nach vorne. Der Pinselduktus ist bei den kleineren Versions dieser Phase locker und bewegt, der Farbauftrag erfolgte mit kurzen, richtungslosen Strichen, und neben dem unbemalt belassenen Grund wird der Aufbau des Farbmaterials besonders evident. Mit der Dichte der Farbe nimmt auch die Ausstrahlung ihres Weiss-Tons zu, sodass sich in den Gemälden eine Vielfalt von Nuancen zeigt. Im Verlauf des Tages erzeugt der wechselnde Lichteinfall überraschende Veränderungen in der Bildwirkung. Die bemalten Flächen nehmen das Licht in sich auf und strahlen es in subtilen Gradationen wieder aus. Unterstützt durch den Perlmutter-Glanz des Wachspapiers bieten sie das faszinierende Schauspiel der Interaktion von Malerei und Licht dar.
Die reliefartige Struktur des Farbauftrags, welche der Wirkung der kleineren Formate so viel Charakter verleiht, tritt in den grossen Gemälden hinter der Gesamtwirkung der unterschiedlich aufgebrochenen Farbflächen zurück. 1992 hat Ryman vier Gemälde vollendet, deren Dimensionen – ohne den Wachspapier-Streifen am oberen Bildrand – zwischen 62 und 84 Inch (160 und 213 cm) im Quadrat liegen: Versions I, II, III und IV. Auch sie sind mit einem schmalen Pinsel bewegt bemalt, wobei der Blick vor allem auf die unterschiedlich ausgesparten Bildbereiche gelenkt wird. In diesen Werken zeigt sich der Stellenwert des dünnen Fiberglass-Materials besonders deutlich: Die flachen Tafeln liegen trotz ihrer Grösse ohne Schwere auf der Wand. Versions IV verkörpert unter diesen Gemälden die radikalste Version: Hier ist die Bildfläche in zwei Partien geteilt, die durch eine offene vertikale Mittellinie wie bei einem Rorschach-Test getrennt sind. Das kleinere Versions XV, auch aus 1992, zeigt auf einer 15 x 15 Inch grossen Tafel zwei ähnlich getrennte Farbfelder.
In dieser Phase des umfassenden Arbeitsprozesses scheinen alle Aspekte des geschichteten Bildaufbaus und der, laut Ryman, „direkteren Arbeit mit Farbe“ Form angenommen zu haben. Die Ergebnisse seines Vorgehens manifestieren in ihrem Wirkungsreichtum einen künstlerischen Prozess bis an den Punkt, an dem keine Steigerung mehr möglich war. Die „Überraschung, die aus dem Akt des Malens resultiert“ (Ryman), ist dann am grössten, wenn dieser Akt am wenigsten gelenkt wird. In dem Entstehungsprozess der Versions hat sie ihren Höhepunkt in der verblüffenden Ausstrahlung des kleinen Versions XIV gefunden. Vier weisse, wolkenartige Farbfelder schweben so leicht und locker vor dem irisierenden Grund, als wären sie davon völlig losgelöst. Es zeigt sich in diesem Werk ein Grad an künstlerischer Freiheit, der durch nichts anderes ausgelöst werden kann als durch ein intuitives Geschehenlassen. „Ich musste mir von den Bildern sagen lassen, wie sie werden würden […]“ – in diesem Fall war das Ergebnis so selbstverständlich gelungen, dass der Künstler danach nicht darüber hinausgehen konnte. Bei dem letzten Versions XVI fiel Ryman in eine bewährte Malweise zurück und beendete die Werkserie.
Der Text entstand im Anschluss an Äusserungen von Urs Raussmüller am 14. Juli 2022 über das künstlerische Vorgehen, respektive den kreativen Prozess als Grundprinzip eines innovativen Verhaltens.
1 Eine Auflistung von Raussmüllers Ryman-Ausstellungen und Installationen findet sich in der Publikation: Sauer, Christel/Urs Raussmüller (Hg.): Urs Raussmüller: Ryman Paintings and Ryman Exhibitions. Frauenfeld/Basel 2006, S. 60-62.
2 Vgl.: Sauer, Christel/Urs Raussmüller: Robert Ryman and Urs Raussmüller: Advancing the Experience, Katalog der Ausstellung in den Hallen für Neue Kunst, Schaffhausen, Basel 2010.
3 „Urs ist vielleicht die einzige Person, die vollkommen versteht, wie sich die [meine] Gemälde verhalten und wie sie zueinander in Beziehung gesetzt werden können.“ (Robert Ryman in: Robert Ryman und Urs Raussmüller: Das Werk. Ein Gespräch in den Hallen für Neue Kunst, Schaffhausen, am 24. Mai 2008. In: Sauer 2010, S. 87).
4 Installationsabbildungen in: Sauer, Christel/Urs Raussmüller: Robert Ryman. Schaffhausen 1991. (Begleitbuch zu den Ausstellungen in den Hallen für Neue Kunst, Schaffhausen und in Renn Espace d’art contemporain, Paris).
5 Hallen für Neue Kunst, Schaffhausen, 10.5.1992 – 31.10.1992 / The Pace Gallery, New York, 4.12.1992 – 2.1.1993. Vgl. Ausstellungskatalog Sauer, Christel/Urs Raussmüller (Hg.): Robert Ryman: Versions. Schaffhausen 1992.
6 Massangaben der einzelnen Versions im Anhang.
7 Sauer 1992, S. 30.
8 Ebenda, S. 36.
9 Permit, 1991, Oil on fiberglass with wax paper, 45 ¼’’ x 41’’ / 116,2 x 104,2 cm.
10 Sauer 1992, S. 34.
Anhang:
Versions I, 1992, Oil and graphite on fiberglass with wax paper 91’’ x 84’’ / 231.3 x 213.1 cm
Versions II, 1992, Oil on fiberglass with wax paper, 79’’ x 72’’ / 200.7 x 182.8 cm
Versions III, 1992, Oil and graphite on fiberglass with wax paper, 71’’ x 63’’ / 180.4 x 160.1 cm
Versions IV, 1992, Oil and graphite on fiberglass with wax paper, 78’’ x 72’’ / 198.1 x 182.8 cm
Versions V, 1991, Oil and graphite on fiberglass with wax paper, 45’’ x 41’’ / 114.4 x 104.2 cm
Versions VI, 1991, Oil on fiberglass with wax paper, 45 ¾‘’ x 41’’ / 116.2 x 104.2 cm
Versions VII, 1991, Oil on fiberglass with wax paper, 44 ¼‘’ x 41’’ / 112.4 x 104.2 cm
Versions VIII, 1991, Oil and graphite on fiberglass with wax paper, 15’’ x 15’’ / 38.1 x 38.1 cm
Versions IX, 1991, Oil on fiberglass with wax paper, 14’’ x 13’’ / 35.6 x 33 cm
Versions X, 1991, Oil on fiberglass with wax paper, 16 ½ ‘’ x 15’’ / 41.9 x 38.1 cm
Versions XI, 1991, Oil, graphite, and ink on fiberglass with wax paper, 19’’ x 17’’ / 48.3 x 43.2 cm
Versions XII, 1991, Oil on fiberglass with wax paper, 18 ¾‘’ x 17’’ / 47.6 x 43.2 cm
Versions XIII, 1991, Oil and graphite on fiberglass with wax paper, 20’’ x 18’’ / 53.4 x 48.3 cm
Versions XIV, 1992, Oil and graphite on fiberglass with wax paper, 13 ½‘’ x 13’’ / 34.4 X 33.1 cm
Versions XV, 1992, Oil and graphite on fiberglass with wax paper, 15 5/8‘’ x 15’’ / 39.7 x 38.2 cm
Versions XVI, 1992, Oil and graphite on fiberglass with wax paper, 14 ¼‘’ x 13’’ / 36.2 x 33 cm
© Christel Sauer, August 2022
Photo credit: © Raussmüller